Stellen wir uns eine Welt vor, in der Häuser ausschließlich dekorativ sind, der städtische Raum wild wuchert und niemand jemals auf die Idee gekommen ist, dass Architektur Funktionalismus und Ästhetik vereinen könnte. Vielleicht klingt das wie eine ferne Utopie – oder ein Albtraum. Doch genau hier beginnt die Revolution, die Le Corbusier auslöste.

Wenn wir heute durch Städte gehen, entdecken wir ihn überall, oft ohne es zu bemerken: Klare Linien, offene Grundrisse, der Einsatz von Beton, große Glasflächen, Dachterrassen, die wie kleine grüne Oasen wirken – Le Corbusier war ein Pionier des modernen Wohnens. Aber wie viel von dieser Vision ist bei uns angekommen? Und was lässt sich aus seinem Werk heute noch lernen? Genau diesen Fragen wollen wir nachgehen, während wir uns dem Werk in unserer Sammlung widmen und die Perspektiven des Visionärs neu betrachten.
Ein besonderes Highlight unserer Sammlung ist Collage „Taureau", das 1959/1962 im Format 70 x 100 cm von Le Corbusier geschaffen wurde. Es verkörpert sein Streben nach der Verschmelzung von Kunst, Medien und Funktionalität. Die Collage lädt zu einem tieferen Nachdenken ein.
Das Werk hat seitdem einen besonderen Platz in unserer Ausstellung, nicht nur wegen seiner künstlerischen Qualität, sondern auch, weil es eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt. Es erinnert uns daran, dass die Visionen von gestern die Realität von heute geformt haben – und uns gleichzeitig inspirieren, weiterzudenken.

Le Corbusier – Der Mensch hinter der Legende
Le Corbusier war weit mehr als nur ein Architekt. Er war ein Visionär, der sich intensiv mit den Bedürfnissen des modernen Menschen auseinandersetzte. Doch hinter der rationalen Fassade seines Funktionalismus verbargen sich oft unerwartete Facetten. Wussten Sie zum Beispiel, dass Le Corbusier ein eigenes Farbsystem entwickelte, das noch heute Architekten inspiriert? Seine "Polychromie Architecturale" verband Farben auf harmonische Weise mit Architektur und zeigte, dass Funktionalität und Emotion Hand in Hand gehen können.
Er war auch ein leidenschaftlicher Bewunderer von Flugzeugen. Die Eleganz und Effizienz dieser Maschinen beeinflussten viele seiner Entwürfe. In seinen Augen waren sie ein Symbol für Fortschritt und menschliche Ingenieurskunst – eine Art Blaupause für die Architektur der Zukunft.
Doch Le Corbusier war auch eine kontroverse Figur. Seine kompromisslosen Ideen und seine oft polarisierende Persönlichkeit brachten ihm Bewunderer und Kritiker gleichermaßen ein. Dieses Spannungsfeld macht ihn bis heute faszinierend und relevant. Indem wir auf seine Errungenschaften und Widersprüche blicken, können wir nicht nur mehr über ihn, sondern auch über uns selbst erfahren.
War Le Corbusier wirklich modern?
Eine Frage, die sich im Kontext seines Schaffens immer wieder stellt: Wie modern war Le Corbusier wirklich? Seine Vision der "Wohnmaschine" prägte das 20. Jahrhundert, doch viele seiner Entwürfe rufen heute ebenso Bewunderung wie Kritik hervor. Die Idee, dass Funktionalität über allem stehen sollte, wirft die Frage auf, ob dabei nicht manchmal das Menschliche verloren ging.
Beispielsweise könnte man seine großen Wohnsiedlungen als Versuch sehen, effiziente Lebensräume zu schaffen – oder als sterile Gebilde, die wenig Raum für Individualität lassen. Und doch ist gerade dieser Widerspruch Teil seines Vermächtnisses: Seine Arbeiten inspirieren Architekten bis heute, über das Zusammenspiel von Raum, Mensch und Gesellschaft nachzudenken.
Vielleicht liegt die wahre Modernität Le Corbusiers nicht in den Formen, die er schuf, sondern in den Fragen, die er stellte. Was braucht der Mensch wirklich? Und wie kann Architektur darauf antworten? Fragen, die auch wir uns immer wieder stellen sollten, wenn wir seine Werke betrachten.
Künstler, Architekt, Visionär – Ein Perspektivwechsel
Wie würde jemand, der in einem von Le Corbusier entworfenen Gebäude lebt, seinen Einfluss beschreiben? Vielleicht als erfrischend anders, inspirierend und gleichzeitig als herausfordernd. Seine Räume fordern uns dazu auf, uns auf neue Weise mit unserer Umgebung auseinanderzusetzen.
Oder wie sahen seine Zeitgenossen ihn? Für einige war er ein Genie, das neue Wege beschritt, für andere ein Provokateur, der Traditionen hinterfragte.
Le Corbusier selbst sagte einst:
„Architektur ist der kluge, korrekte und herrliche Spielraum unter Licht."
Vielleicht liegt genau hier die Essenz seines Werkes: Es geht nicht nur um Gebäude, sondern um das Leben selbst, das durch sie geformt wird.
Indem wir Le Corbusier durch verschiedene Augen betrachten – als Architekt, Künstler und Visionär – können wir die Komplexität seines Schaffens besser verstehen und schätzen.
Warum ist Le Corbusier in unserer Sammlung?
Le Corbusiers Werk passt perfekt in die Sammlung Deilmann, weil es zentrale Aspekte unserer kuratorischen Ausrichtung widerspiegelt. Seine Arbeiten verbinden Kunst und Architektur auf eine Weise, die nicht nur die ästhetischen, sondern auch die gesellschaftlichen Dimensionen des Gestaltens beleuchtet.
Unsere Sammlung möchte dazu anregen, groß zu denken, Fragen zu stellen und die Vergangenheit als Fundament für die Zukunft zu nutzen – genau wie Le Corbusier es tat. Sein Werk eröffnet neue Perspektiven auf das, was moderne Kunst und Architektur leisten können. Und genau deshalb sind wir stolz, eines seiner Werke zu präsentieren und seine Vision lebendig zu halten.
Ihre Meinung ist gefragt!
Wie sehen Sie Le Corbusier und sein Vermächtnis? Gehören seine Ideen zu den Meisterwerken der Moderne oder sollten sie kritisch hinterfragt werden? Wir laden Sie herzlich ein, Ihre Gedanken mit uns zu teilen – sei es hier in der Sammlung oder online. Lassen Sie uns gemeinsam über die Rolle der Kunst und Architektur in unserer heutigen Zeit nachdenken und diskutieren!
Übrigens:
Wer kann schon von sich sagen, auf einer Banknote verewigt zu sein? Le Corbusier schon! Auf der Schweizer 10-Franken-Note der achten Serie von 1997 prangt nicht nur sein markantes Porträt auf der Vorderseite, sondern auch der Grundriss des Regierungsviertels von Chandigarh auf der Rückseite – ein Paradebeispiel seiner visionären Stadtplanung.


Doch das ist noch nicht alles: Unten links auf der Note steht der berühmte Modulor-Mann mit hochgestrecktem Arm. Diese symbolische Figur verkörpert Le Corbusiers Maßsystem, das auf den Proportionen des menschlichen Körpers basiert und Harmonie in Architektur und Design schaffen sollte. Selbst der Maßstab seines Systems wurde dargestellt – ein unverkennbares Detail für Kenner. Eine Banknote, die nicht nur zahlt, sondern auch inspiriert!
Polychromie Architecturale – Farbe in der Architektur
Mit der “Polychromie Architecturale” schuf Le Corbusier ein Farbsystem, das weit über reine Ästhetik hinausgeht. Es handelt sich um zwei Farbpaletten, die er 1931 und 1959 entwickelte und die gezielt auf die Wirkung von Farben im Raum eingehen. Seine Farben sind so konzipiert, dass sie Räume strukturieren, Emotionen hervorrufen und die Wahrnehmung von Größe und Licht beeinflussen.
Le Corbusier teilte die Farben in Gruppen ein, die jeweils spezifische Atmosphären schaffen sollten. Warme Töne wie Ocker und Rot sollten Räume wohnlich machen, während kühlere Farben wie Blau und Grün Ruhe und Klarheit ausstrahlen. Dieses Konzept zeigt, wie tief Le Corbusier die Verbindung von Raum, Farbe und Mensch durchdachte – ein Ansatz, der bis heute Architekten und Designer inspiriert.
Seine Vision war es, mit Farben nicht nur Wände zu schmücken, sondern sie zu einem wesentlichen Bestandteil des architektonischen Erlebnisses zu machen.