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Geiger in der Sammlung DEILMANN

Rupprecht Geiger steht für eine radikale Reduktion auf das Wesentliche: Farbe und Form. Seine Arbeiten, insbesondere die leuchtenden Rotnuancen, verbinden eine universelle Kraft mit einer tief persönlichen Aussage. Genau diese Verbindung von individueller künstlerischer Handschrift und universeller Aussagekraft ist zentral für die Sammlung Deilmann. Geigers Werke ergänzen unseren Fokus auf moderne und zeitgenössische Kunst durch ihre klare, zeitlose Ästhetik und ihre Fähigkeit, neue Perspektiven auf Raum und Wahrnehmung zu eröffnen.

Anna Deilmann, Kuratorin der Sammlung Deilmann

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Foto: Städt.galerie im Lenbachhaus/ dpa

Rupprecht Geiger zählt zu den bedeutendsten Vertretern der deutschen Farbfeldmalerei. In den 1950er Jahren entwickelte er seinen charakteristischen Stil, geprägt von intensiver Farbigkeit und der Abkehr von gegenständlicher Formgebung. Geiger beschränkte sich auf elementare Formen ohne Perspektive oder örtlichen Bezug und nutzte gezielt Farb-, Hell-Dunkel- und Kalt-Warm-Kontraste, um die reine Wirkung der Farbe erlebbar zu machen. Ab Mitte der 1960er Jahre verzichtete er ganz auf den Pinselduktus und konzentrierte sich auf archetypische Formgebilde, die eine ungestörte Wahrnehmung seiner Werke ermöglichen. Geiger studierte von 1926 bis 1935 Architektur in München und arbeitete bis 1962 als Architekt, widmete sich jedoch autodidaktisch der Malerei. Während seines Kriegsdienstes ab 1940 setzte er seine künstlerische Arbeit fort. 1948 präsentierte er sein erstes abstraktes Werk im Pariser Salon des Réalités Nouvelles. 1949 gründete er gemeinsam mit Künstlern wie Willi Baumeister und Fritz Winter die Gruppe ZEN 49, die abstrakte Kunst im Nachkriegsdeutschland förderte. 1962 gab Geiger seine Architektentätigkeit auf, um sich vollständig der Malerei zu widmen. Von 1965 bis 1976 lehrte er als Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine Werke waren auf zahlreichen Ausstellungen vertreten, darunter vier documenta-Teilnahmen (1959, 1964, 1968, 1977) und die Biennale in São Paulo (2002). Geiger verstarb 2009 in seiner Heimatstadt München und hinterlässt ein beeindruckendes Werk, das die Möglichkeiten von Farbe und Form nachhaltig geprägt hat.
Rupprecht Geiger ist ein Meister der Farbe, insbesondere des intensiven Rots, das in seinen Werken eine zentrale Rolle spielt. Für ihn ist Farbe mehr als Darstellung – sie ist eine eigenständige Sprache, die Raum und Wahrnehmung beeinflusst. Geigers revolutionäre Nutzung von Farbe als Kunstform war wegweisend. Anders als viele seiner Zeitgenossen ist Farbe bei ihm die Form selbst. Das leuchtende Rot symbolisiert Leben, Leidenschaft und Transformation und zieht den Betrachter in einen emotionalen Dialog. Seine Werke zeigen die Kraft der Farbe als Ausdrucksmittel, das weit über bloße Dekoration hinausgeht, und fordern den Betrachter auf, auch die emotionale und symbolische Tiefe zwischen den Farbfeldern wahrzunehmen.

Farbe als Ausdruckskraft

Die abstrakten Skulpturen von Rupprecht Geiger machen den öffentlichen Raum zu einem lebendigen Kunstwerk. Durch die Kombination aus geometrischen Formen und leuchtendem Rot verändern seine Werke die Wahrnehmung des Raumes und fügen sich nahtlos in das urbane Gefüge ein. Besonders bemerkenswert ist die Wechselwirkung seiner Skulpturen mit der Architektur: Geigers Werke verschmelzen mit ihrer Umgebung und erzeugen eine spannende Spannung, die den Raum neu definiert. Arbeiten wie die am Münchener Hauptbahnhof und im Gasteig zeigen, wie Kunst den öffentlichen Raum mit neuer Bedeutung auflädt und eine veränderte Perspektive ermöglicht.

Öffentlicher Raum

Mit seiner Kunst schuf Geiger einen Raum der Besinnung, der den Betrachter zu einer spirituellen Reise einlud. Besonders in seinen Meditationsräumen und Skulpturen entfaltete sich die Symbolik als Einladung zu innerer Ruhe. Werke wie das Mosaik am Münchener Hauptbahnhof oder die Wandinstallationen im Gasteig sind weit mehr als funktionale Kunstwerke – sie sind Rückzugsorte, die inmitten des urbanen Lebens Momente der Stille und Reflexion bieten. Geiger verstand seine Farben als „symbolische Zeichen“ und brachte diese in geometrischer Klarheit zum Leben, wodurch eine meditative Qualität entstand. Themen wie Veränderung und Wiedergeburt spiegelten nicht nur die politischen Strömungen seiner Zeit wider, sondern regten zu einer tieferen, inneren Auseinandersetzung mit der Welt und dem Selbst an. Geiger forderte den Betrachter heraus, Kunst als Werkzeug für Transformation zu erleben – sowohl auf persönlicher als auch gesellschaftlicher Ebene.

Meditation und Symbolik

in der Sammlung Deilmann

Künstler der Sammlung

• 1959: documenta II, Kassel • 1964: documenta III, Kassel • 1967: Kunsthalle Düsseldorf, Düsseldorf • 1968: documenta IV, Kassel • 1977: documenta 6, Kassel • 1985: Retrospektive, Kunsthalle Düsseldorf • 1994: Russisches Museum, St. Petersburg / Gemäldegalerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Dresden • 2002: XXV. Biennale von São Paulo, Brasilien • 2005: Mies van der Rohe Haus, Berlin • 2007/2008: Retrospektive zum 100. Geburtstag, Lenbachhaus, München • 2008: Museum für Gegenwartskunst, Siegen / Neue Nationalgalerie, Berlin / Haus der Kunst, München • 2017: Rupprecht Geiger. Farbe tanken, Kunstmuseum Bochum • 2020: ROT X STAHL, Alf-Lechner-Museum, Ingolstadt

Ausstellungen

• 1951: Domnick-Preis der Staatsgalerie Stuttgart • 1958: Preis der Internationalen Triennale für Farbgraphik in Grenchen, Schweiz • 1968: Burda-Preis für Bildende Kunst • 1986: Goldmedaille der 8. Internationalen Grafik-Biennale Fredrikstad, Norwegen • 1988: Kunstpreis Berlin, Akademie der Künste, Berlin • 1988: Großes Bundesverdienstkreuz • 1989: Kultureller Ehrenpreis der Landeshauptstadt München • 1992: Rubenspreis der Stadt Siegen • 1993: Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst • 1994: Harry-Graf-Kessler-Preis • 1995: Oberbayerischer Kulturpreis • 1997: Goldene Ehrenmünze der Landeshauptstadt München

Auszeichnungen

Meditationsraum auf dem Klinikgelände, Hauptbahnhof München (1951) Diese monumentale Plattenmosaik-Arbeit ist eines der frühesten Beispiele für Geigers Interaktion mit öffentlichen Räumen. Sie kombiniert Aluminiumplatten mit Leuchtstoffröhren und reflektiert seine frühe Auseinandersetzung mit der Wirkung von Farbe und Licht. Der “Meditationsraum” wurde in einer Zeit geschaffen, als Geiger beginnend mit der Verwendung von leuchtenden Farben eine neue Dimension in die Kunst einbrachte. Das Werk befand sich über dem Haupteingang des Münchener Hauptbahnhofs und verband Kunst mit dem alltäglichen urbanen Leben. Glasklebebild, Tauffenster, Evangelische Kirche Stockdorf (1964) Dieses Werk bezieht sich auf Geigers Interesse an Glas und Licht als künstlerisches Medium. Das Tauffenster ist ein weiteres Beispiel für Geigers Fähigkeiten in der Farbfeldmalerei, mit einer Verbindung zur religiösen Thematik. Es zeigt seine präzise Verwendung von Farbe und Form, um religiöse und spirituelle Dimensionen in einem modernen Kontext zu interpretieren. Konkav gerundet, Münchener Rück, München (1973) Diese Skulptur aus Aluminium, die von Geiger in einer geometrischen Formensprache realisiert wurde, steht vor dem Gebäude der Münchener Rück und demonstriert seine Fähigkeit, abstrakte Formen in den öffentlichen Raum zu integrieren. Die Arbeit spielt mit Licht und Reflexion und ist ein Beispiel für Geigers Verwendung von Farbe, die sich mit der Architektur und dem Raum verbindet. Gerundetes Blau, Gasteig, München (1987) Diese Skulptur aus Aluminium reflektiert Geigers markanten Stil: den Einsatz von großen, gebogenen und farblich intensiven Formen, die den Raum definieren. Die Verwendung von Blau als Farbe ist typisch für Geiger und hat eine beruhigende, aber auch intensive Wirkung auf den Raum. Das Werk wurde im Gasteig installiert, einem kulturellen Zentrum in München, und ist ein Symbol für Geigers Interesse an der Wechselwirkung zwischen Kunst und Umgebung. Meditationsraum, Kbo-Isar-Amper-Klinikum, Taufkirchen/Vils (1991) Diese Acryl/Beton-Arbeit ist eine direkte Auseinandersetzung mit der Idee von Meditation und Ruhe. Sie kombiniert abstrakte Formen und Farben, um eine stille, meditative Atmosphäre zu erzeugen. Geiger verwendet hier seine charakteristischen Rot-Töne und schafft eine skulpturale Installation, die sowohl räumlich als auch emotional wirkt. 2000 Rot (Bilder A–E), WWK Versicherungsgruppe, München In dieser Arbeit aus dem Jahr 2000 nutzt Geiger das symbolische Potenzial von Rot, einer Farbe, die in seinem gesamten Werk eine zentrale Rolle spielt. Diese fünf großformatigen Gemälde spiegeln Geigers Technik wider, mit Farbe als eigenständigem Ausdrucksmittel zu arbeiten. Sie sind nicht nur optische, sondern auch emotionale Erlebnisräume. Rot 2000, 875/99, Reichstag, Berlin (1999) Dieses großformatige Wandbild im Reichstag in Berlin ist ein weiteres Meisterwerk von Geiger, das die politische und symbolische Dimension der Farbe Rot thematisiert. Es steht im Kontext der Wiedervereinigung und der politischen Veränderungen in Deutschland und symbolisiert eine transformative Zeit. Die monumentale Größe und die zentrale Platzierung im Reichstag zeigen Geigers Fähigkeit, mit seiner Arbeit eine starke visuelle und symbolische Präsenz zu schaffen.

Öffentlicher Raum

Rupprecht Geiger

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