top of page

Oldenburg in der Sammlung DEILMANN

Oldenburgs Werke sind ein klarer Bruch mit den üblichen Vorstellungen von Kunst. Durch die Vergrößerung alltäglicher Objekte stellt er Konsum und Kunst auf den Kopf. Seine Arbeiten schaffen neue Perspektiven und kritische Impulse, die auch die Sammlung Deilmann bereichern.

Anna Deilmann, Kuratorin der Sammlung DEILMAN

Julian von Bismarck _ sammlung deilmann.png

Claes Oldenburg von Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Claes Oldenburg, ein Meister der Verfremdung und des Witzes, schuf Kunstwerke, die die vertrauten Gegenstände des Alltags auf eine grandiose, humorvolle und oft auch tiefgründige Weise hinterfragten. Geboren 1929 in Stockholm als Sohn eines schwedischen Diplomaten, wuchs Oldenburg in einer Welt auf, die ihn mit verschiedenen Kulturen und Perspektiven vertraut machte. Schon während seines Studiums in Yale und am Art Institute of Chicago war er von der Abstrakten Kunst beeinflusst, doch es war die Begegnung mit den Künstlern des Happenings, die ihn endgültig zu einem Revolutionär der Pop Art machten. Mit seiner Umwandlung von alltäglichen Objekten in monumentale Skulpturen sprengte Oldenburg die Grenzen der traditionellen Bildhauerei. Dabei nutzte er einfache Materialien wie Pappmaché und Vinyl, um alltägliche Gegenstände wie Soft-Skulpturen und gigantische, weich geformte Objekte zu erschaffen, die im Kontrast zur Realität eine neue Dimension öffneten. Diese „Soft Sculptures“ und die „Giant Objects“ brachen mit der starren Materialität der klassischen Skulptur und machten das Gewöhnliche zu einer aufregenden, oft humorvollen Erfahrung. Oldenburgs Werke nehmen Alltagsgegenstände und erheben sie in den Status der Kunst. Doch was zunächst verspielt wirkt, ist immer auch eine kritische Reflexion der Konsumgesellschaft und ihrer Werte. Besonders in seinen gigantischen Skulpturen, wie der „Giant Pool Balls“ in Münster oder „Inverted Collar and Tie“ in Frankfurt, sieht man eine Mischung aus Ironie und subtiler Gesellschaftskritik. Diese monumentalen Werke bringen den Betrachter zum Staunen und Lachen, regen aber gleichzeitig dazu an, die Bedeutung von Größe, Macht und gesellschaftlichen Normen zu hinterfragen. In den späten Jahren arbeitete Oldenburg oft mit seiner Frau und künstlerischen Partnerin Coosje van Bruggen zusammen, was zu einigen seiner bekanntesten Werke führte. Diese Partnerschaft manifestierte sich besonders in Arbeiten wie „Clothespin“ (Philadelphia) und „Shuttlecocks“ (Kansas City), die mit der Kombination von Humor, Monumentalität und einer ungewöhnlichen Perspektive die Wahrnehmung des Betrachters auf den Kopf stellten. Oldenburgs Werke sind nicht nur in Museen und Galerien weltweit zu finden, sondern auch im öffentlichen Raum, wo sie als humorvolle Interventionen in die Alltagswelt des Betrachters eingreifen. Sie sind nach wie vor relevant, weil sie eine Kunstform repräsentieren, die den Bogen zwischen dem Banalen und dem Monumentalen schlägt und uns immer wieder einlädt, die Welt mit neuen Augen zu sehen. In Münster, wo seine „Giant Pool Balls“ das Stadtbild zieren, zeigt sich Oldenburgs Einfluss auf die Kunst des öffentlichen Raums auf besonders eindrucksvolle Weise.
Indem alltägliche Objekte des Konsumalltags zu monumentalen Skulpturen transformiert werden, stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Bedeutungslosigkeit. Durch diese Vergrößerungen, die banale Gegenstände wie Pizzen oder Zahnbürsten zu Skulpturen machen, hinterfragt Oldenburg die Grenze zwischen Kunst und Konsumkultur. Die Verwandlung von Trivialem in Kunst fordert eine neue Wahrnehmung: Was einst als unbedeutend galt, wird durch die Dimensionen und die Kunstform zu einem bedeutungsvollen Objekt. Diese Skulpturen eröffnen einen Dialog zwischen der Alltagsästhetik und der hohen Kunst, der uns zum Nachdenken über die Relevanz und den Wert des Konsums in unserer Kultur anregt. Was trivial erscheint, wird durch diese künstlerische Praxis zur Reflexion über den Raum des Konsums und der Kunst, wodurch die Grenze zwischen beiden verschwimmt.

Pop-Kultur

In seinen Arbeiten fordert Oldenburg den traditionellen Umgang mit Form und Funktion heraus, indem er alltägliche Gegenstände in völlig neue, oft überraschende Formen überführt. Die Materialität wird zum Dialogpartner, der die zeitliche Entwicklung von Objekten und deren Bedeutung in einem ständig wechselnden Raum reflektiert. Was ursprünglich als funktionales Alltagsobjekt wahrgenommen wird, verwandelt sich in eine Skulptur, die sowohl die Funktion als auch die Bedeutung hinterfragt. Durch diese Transformation entsteht eine dynamische Auseinandersetzung mit der Evolution von Form und Funktion, die uns dazu anregt, alltägliche Dinge aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und ihre kulturelle Relevanz neu zu definieren. Oldenburgs Skulpturen sind dabei nicht nur Objekte im Raum, sondern auch ein Kommentar zur Veränderlichkeit und zur Wandlung von Bedeutung im Kontext von Kunst und Gesellschaft.

Formen im Wandel

In seinen frühen Arbeiten zeigte Oldenburg eine bemerkenswerte Fähigkeit, Alltagsobjekte zu verfremden und durch Ironie und satirische Sozialkritik die Wahrnehmung des Konsums zu hinterfragen. Der „Store“ von 1961 war ein bahnbrechendes Beispiel dieser subversiven Auseinandersetzung. Statt den Konsum zu glorifizieren, stellte Oldenburg einen Laden voll überdimensionierter Produkte aus, um die Banalisierung von Objekten und ihre Reduzierung auf bloße Ware zu entlarven. Diese Installation war mehr als eine künstlerische Reflexion des Konsums – sie war eine bewusste Provokation, die das Verständnis von Kunst und Alltagsleben miteinander in Frage stellte. Oldenburg stellte nicht nur die Bedeutung von Konsumartikeln infrage, sondern wagte einen subversiven Schritt in die Kunstwelt, der später in seine ikonischen monumentalen Skulpturen und Soft-Sculptures mündete. So entstand eine Verbindung zwischen humorvoller Kritik und dem Drang, das Alltägliche in die Sphären der Kunst zu erheben.

Subversion

in der Sammlung Deilmann

Künstler der Sammlung

•1953: Club St. Elmo, Chicago – Satirische Zeichnungen, Gemeinschaftsausstellung mit Robert Clark (Robert Indiana) •1959: Aktzeichnungen in der Cooper Union •1959: Zeichnungen, Gedichte, kleine Skulpturen in der Judson Gallery, New York City •1960: Ausstellung „The Street“ in der Reuben Gallery, New York City •1960: Teilnahme an New Forms–New Media (I & II) in der Martha Jackson Gallery, New York City – Gruppenausstellung von Installationen und Assemblagen •1961: „Plastische Fragmente aus dem Store“, Gemeinschaftsausstellung Environments. Situations. Spaces in der Martha Jackson Gallery •1961: Eröffnung der Ausstellung The Store in der 107 East/2nd Street, New York City •1962: Erste Giant Objects und Soft Sculptures, Einzelausstellung in der Green Gallery •1963: Dwan Gallery, Los Angeles •1964: Four Environments by Four New Realists, Gemeinschaftsausstellung in der Sidney Janis Gallery, New York City •1964: The Home, Sidney Janis Gallery, New York City •1964: XXXII. Biennale Venedig •1964: Ileana Sonnabend, Paris •1965: Sidney Janis Gallery, New York City •1966: Moderna Museet, Erste große Retrospektive •1967: Museum of Contemporary Art, Chicago •1968: documenta 4, Kassel •1969: Museum of Modern Art, New York City – Große Retrospektive, auch in Amsterdam, Düsseldorf und London •1970: Stedelijk Museum, Amsterdam •1970: Kunsthalle Düsseldorf •1970: Tate Gallery, London •1972: Documenta 5, Kassel – The Mouse Museum •1975: Claes Oldenburg. Zeichnungen 1954–1974, erste Ausstellung des zeichnerischen Werks in der Kunsthalle Tübingen •1977: Documenta 6, Kassel •1977: Skulptur.Projekte, Münster •1982: Documenta 7, Kassel •1989: Lehmbruck-Museum Duisburg, A Bottle of Notes and Some Voyages, Gemeinschaftsausstellung mit Coosje van Bruggen •2011: Museum für Moderne Kunst (MMK), Frankfurt am Main, MMK 1991–2011. 20 Jahre Gegenwart •2012: MUMOK (Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien), Wien und Museum Ludwig, Köln – The Sixties •2013: “unidisplay”, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main •2014: “unidisplay”, SonarPLANTA, Sorigué Foundation, Barcelona, Spanien •2015: “unidisplay”, Sound in Motion, Kunstmuseum Stuttgart •2016: “unidisplay”, Copenhagen Contemporary, Kopenhagen, Dänemark •2017: “parallax”, Ichihara Lakeside Museum, Japan •2018: “tele”, Berlinische Galerie, Berlin •2019: “Parallax Symmetry”, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf •2022: “transmitter / receiver – the machine and the gardener”, Haus der Kunst, München

Ausstellungen

•Museum of Modern Art (MoMA), New York, USA •Tate Modern, London, Großbritannien •Kunsthaus Zürich, Schweiz •Stedelijk Museum, Amsterdam, Niederlande •Museo Tamayo, Mexiko-Stadt, Mexiko •Walker Art Center, Minneapolis, USA •Solomon R. Guggenheim Museum, New York, USA •National Gallery of Art, Washington D.C., USA •Museum für Moderne Kunst (MMK), Frankfurt am Main, Deutschland •Museum Ludwig, Köln, Deutschland •Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Deutschland •Neue Nationalgalerie, Berlin, Deutschland •The Art Institute of Chicago, Chicago, USA •Los Angeles County Museum of Art (LACMA), Los Angeles, USA •Moderna Museet, Stockholm, Schweden

Sammlungen

Durch die monumentale Vergrößerung alltäglicher Objekte entwirft Oldenburg eine neue Perspektive auf die Welt, in der Kunst und Alltagskultur untrennbar miteinander verbunden sind. Seine überdimensionierten Skulpturen, wie riesige Hamburger oder zerknüllte Papiertüten, sprengen die gewohnte Wahrnehmung und stellen die Bedeutung alltäglicher Konsumgegenstände in Frage. Indem er diese Objekte auf solch extreme Weise vergrößert, entzieht er ihnen ihre praktische Funktion und hebt sie auf eine neue, ästhetische Ebene. Die Grenze zwischen Kunst und Konsum beginnt zu verschwimmen, da die Kunstwerke gleichzeitig Teil der Konsumwelt sind und diese in ihrer surrealen Überhöhung hinterfragen. Oldenburg fordert den Betrachter heraus, das Verhältnis von Funktionalität und Schönheit neu zu denken und die vertrauten Objekte als Kunst zu erleben.

Die Welt im Übermaß

Claes Oldenburg

bottom of page