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Ein Maßstab für die Erinnerung – Alicja Kwade schafft neuen Gedenkort in München

Wie misst man Erinnerung? In Zahlen? In Jahren? In der Tiefe eines Schmerzes?


Alicja Kwade stellt Fragen, die sich nicht in exakten Einheiten beantworten lassen. In ihrer Kunst verschiebt sie Maßstäbe, löst Gewissheiten auf und lässt Raum für neue Perspektiven. In der Sammlung Deilmann ist sie mit Meta Meter vertreten – einem Werk, das einen alltäglichen Gegenstand, einen Messstab, aus seinem gewohnten Kontext reißt und ihn neu befragt. Ein einfacher Maßstab auf Papier, eingerahmt. Und doch ein Werk, das die Grenzen von Realität und Konstruktion verschiebt.


Skulptur Alicja Kwade am ehemaligen Flughafentower
Am ehemaligen Flughafentower – Studio Kwade

Nun setzt Kwade ein noch unübersehbareres Zeichen. In München hat sie eine mehr als acht Meter hohe Metallskulptur geschaffen – ein Mahnmal für einen Terroranschlag, der sich ins kollektive Gedächtnis der Stadt und darüber hinaus eingebrannt hat. „München-Riem 1970“ heißt der neue Erinnerungsort, der am 10. Februar 2025 eröffnet wurde.


Ein Terrorakt, der alles veränderte

10. Februar 1970. Ein Flug der israelischen Airline El Al steht am Flughafen München-Riem. Dann fallen Schüsse, eine Handgranate wird geworfen. Arie Katzenstein, israelischer und deutscher Staatsbürger, handelt instinktiv: Er wirft sich auf die Granate und rettet damit das Leben anderer Passagiere – auf Kosten seines eigenen. Elf Menschen werden schwer verletzt. Es ist der erste einer Reihe gezielter Terrorakte gegen jüdische und israelische Bürger in Deutschland.


55 Jahre später erinnern sich viele nicht mehr an diesen Tag. Andere haben ihn nie vergessen. Nun, mit Alicja Kwades Skulptur, wird die Erinnerung neu verankert. Vor dem ehemaligen Tower des Flughafens erhebt sich ihre monumentale Metallarbeit – ein stilles, aber kraftvolles Zeichen gegen das Vergessen.


Die Kunst des Messens – und des Erinnerns

Kwades Werke drehen sich oft um unsere Wahrnehmung von Zeit, Raum und Gewicht. Sie hinterfragt das, was wir für gegeben halten: Was bedeutet es, etwas zu messen? Was bedeutet es, etwas festzuhalten? Und was geschieht, wenn sich Maßstäbe verschieben?


Meta Meter von Alicja Kwade
"Meta Meter" von Alicja Kwade, 2021 (Sammlung Deilmann)

In der Sammlung Deilmann setzt sich Meta Meter mit diesen Fragen auseinander – wenn auch in ganz anderer Dimension. Hier ist es ein einfacher Messstab, auf Papier montiert, gerahmt. Dort, in München nun aber, ist es eine massive Metallskulptur, die sich gegen den Himmel reckt. Und doch sprechen beide Werke dieselbe Sprache: Sie machen sichtbar, was sonst unsichtbar bleibt.


Erinnerung ist nie abgeschlossen

Gedenken ist kein statischer Akt. Es ist Bewegung. Ein Auseinandersetzen. Ein Hinterfragen.


Alicja Kwade schafft mit ihrer Kunst Räume, die genau das ermöglichen – sei es mit einem schlichten Messstab oder einer gewaltigen Skulptur. Dass sie nun für den Erinnerungsort München-Riem 1970 ausgewählt wurde, unterstreicht nicht nur ihre Bedeutung als Künstlerin, sondern zeigt auch, wie wichtig es ist, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen.



 
Alicja Kwade
Alicja Kwade

Alicja Kwade (geb. 1979 in Katowice, Polen) zählt zu den einflussreichsten zeitgenössischen Künstlerinnen. Ihre Werke hinterfragen Wahrnehmung, physikalische Gesetzmäßigkeiten und gesellschaftliche Strukturen. Sie arbeitet mit Materialien wie Metall, Glas, Stein und industriellen Objekten, die sie in neue Bedeutungszusammenhänge setzt. Neben der Sammlung Deilmann sind ihre Arbeiten weltweit in renommierten Museen und Sammlungen vertreten, darunter das MoMA New York, die Neue Nationalgalerie Berlin und das LACMA in Los Angeles.




Visualisierung: Studio Kwade


 

Sammlung Deilmann

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